Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem Großpriorat Ostarrichi – Malta

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Milizgütesiegel

Oktober 2019

SCHRIFT~Lectio  I.Timotheus 6, 9=10 

 

 

Liebe Schwestern und Brüder in CHRISTO!

 

 

Führen wir den Gedanken fort, den wir im September aufgeworfen haben. Sind denn die

zahllosen Conventionen, mit denen das irdische Sein nahzu freiraumstad durchwirkt ist,

allsamt vom HERRN erdacht und angeschafft… oder doch nur schnödes, lappertes = wenn

auch oft amüsantes und vielfach notwendiges = Menschenwerk. Die Theologie befaßt sich

seit mindestens anderthalb Jahrtausenden mit der quaestio: woher kommen Ordnungen,

Verhaltensmuster, gesellschaftliche Abstufungen in die menschliche Welt. Den Tieren hat

der ALLMÄCHTIGE ihre Weise der Lebensführung je nach species einprogrammiert [wenn

ich hier dies Wort aus der Informatik entlehnen darf]; hat denn der Mensch auch eine Art

‚Lochkarten=Code‘ erhalten… Viele frühchristliche Gelehrten~Collegen im vierten bis

sechsten Jahrhundert, etwa Proklos Diadochos, Dionysios Areopagitēs II. und allen voran

Sanctus Augustinus waren der Ansicht, daß die Irdische Ordnung ein unvollkommnes

Abbild, eine auf das hinfällige Wesen Mensch zugeschnittene ‚Volksausgabe‘ der Heiligen

Himmlischen Hierarchie sei. Also: Vom HERRN geschenkt und gelenkt. Das ist in dieser,

wie ich denk, grob simplificierten Form nicht ganz schlüssig… dies begründen wir ein

andermal. Ich tendier eher zu der Auffassung, daß der HERR uns Menschen Verstand

wie Competenz verliehen hat, unser Dasein unter SEINER Aufsicht mittels Conventionen

zu ordnen. = Die augenfälligste Convention ist sicherlich die Benützung des Gölds. Wie

die Oekonomen lehren, hat das Geld eine dreifache Function: Tauschwerkzeug, Wertmaß,

Reservenaufbewahrungsmittel. Als kleiner Bub hatt ich meinen Vater gefragt, wieso denn

mit all den „wertlosen Blechscheiberln und Papierfitzln“ schöne Sachen gekauft werden

können. Er hat geantwortet: „Das alte Göld, zur Zeit der Goldducaten und Sülberthaler, 

hatte Geltung aufgrund seines Materialwerts. Das moderne Göld hingegen ist nur ein

Symbol; es wirkt ned durch seinen Materialwert, was fast nix ist, vielmehr dadurch, daß

all seine Benützer dies Symbol anerkennen. Das nennen wir eine Convention, eine von

allen getragene Übereinkunft“. [Zu jener Zeit gab ’s zumindest noch die Goldparität…

doch die ist spätestens seit 1978 belanglos; also wennst obige Convention aufgekündigt

wird, dann servus… von Naturalientauschhandel bis Faustrecht alles vorstellbar.] ~ In

der HEILIGEN SCHRIFT ist öfters von einem Göld die Rede. {Nebenbei bedacht: Diese

Stellen haben mehrere Malerkünstler zu Meisterwerken inspiriert, nennen wir nur den

‚Zinsgroschen‘, gar von drei pictores dargestellt, Tiziano, Masaccio, Rubens… leider ist

keines dieser Gemälde in Wien.} Das SCHRIFTwort, das unsre heutige Lectio bildet, wird

allerdings häufig mißverstanden – und noch häufiger sinnentstellt citiert, mit Fleiß, wie

ich mutmaß. Viele sagen: „Die Wurzel allen Übels ist das Göld, das steht schon in der

BIBEL“. Nein, Freunde. Das steht so ned in der SCHRIFT. Vielmehr lesen wir da {ich

übertrag präcis aus dem Griechischen}: „Wurzel aller Übel ist die Liebe zum Silbergeld“.

Dies bedeutet: das Göld an sich ist nicht bös. Schlecht hingegen ist die Göldgier, die

Habsucht. Und ganz schlimm, gar schwer sündhaft ist es, wenn jemand die pecunia

mehr liebt als den HERRN… oder auch nur die Mitmenschen. Reichtum indessen im

Börsl eines Christen ist früchtetragend. Mit viel Göld kann er viel Schönes erwerben

und vor allem viel Gutes bewirken in Namen des HERRN. Göld gibt Macht ~ und zeitigt

Machbarkeit. Und da sind wir wieder bei der Convention, Fortsetzung im November.

 

Zur heitern Auflockerung schließ ich für heut mit etwas Persönlichem. Monat für Monat

schreib ich in Ehren sowie mit Freuden diese Predigten, die laut Ansicht der Leser eine

Grenzwanderung zwischen interdisciplinärer Gelehrsamkeit, kühner Gesellschaftskritik

und schmunzelndem Anekdotisieren sind. Die sogenannte ‚Zeit‘ verrent gach, oft viel zu

schnell, wie ich empfind, und zwar grad dann, wenn ’s schön ist… und diese hier ist meine

fünfzigste Predigt auf unsrer Sankt Lazarus Seite. Fünfzig Monate aus unserm irdischen

Sein. Und da fällt mir etwas ein. ~ Vor langer Zeit, wenige Wochen nach dem feierlichen

Abschluß meines Theologiestudiums war ich auf der Bahn [naa, ned auf der schiefen, wie

einige ‚Freunde‘ meinen] unterwegs, selbstbewußt das schwarze Collarhemd mit weißem

Einschieber als Erkennungszeichen tragend. {Hierzu fällt mir auch etwas Lustiges ein; das

erzähl ich ein andermal.} Wir warn zu zweien im compartement, mein Gegenüber war ein

sehr bejahrter hagerer Herr mit langem Asketengesicht, Sanct Joseph Pignatelli ähnlich. Er

hatte den Oratorianerkragen um den Hals, was ihn als Collegen der Theologie ausgewiesen

hat. Also sind wir schnell ins Gespräch gekommen. Irgendwann, auf der langen Reise, hat

Bruder Weinszier, wie er sich vorgestellt hat, angefangen zu berichten über einen Senior=

Collegen um die Fünfundachtzig. Dieser hatte nach jahrzehntelangem Kanzeldienst abrupt

das Empfinden, daß ihm nix mehr einfalle… daß er sich nur noch wiederhole… daß er die

SCHRIFT nicht weiter auslegen könne… daß ihm der Stoff ausgegangen sei… und weiters

ist in ihm der Zweifel aufgekeimt, ob denn all jenes, was er während sechser Decennia

treuherzig vorgetragen hat, auch wirklich stimmt; und dieser College war nicht fern davon, hieran psychisch zu erkranken. Liebe Freunde, dies hatte mich gerührt und mir zu denken

gegeben… daher hab ich bei nächster Gelegenheit meinem einstigen Betreuungsdocenten

und Geistlichen Begleiter im Theologiestudium, Ernst v. Einsiedel über jene Begegnung

berichtet. Onkel Ernst, wie ich ihn aufgrund einer weitläufigen Verwandtschaft nennen

durfte, hat sich die causa sehr aufmerksam angehört… und hat dann benevolent lächelnd

erwidert: „Care Amice Löwe! Ich selbst bin bislang circa zweitausendmal auf der Kanzel

gestanden. Und je länger ich diesen Dienst tu, desto mehr öffnen sich vor mir die HEILIGE

SCHRIFT, die menschliche Seele, die Beschaffenheit dieser Welt. Denn ich beobachte, werd

erfahrungsreicher, denk stets über alles nach… Der Stoff ist unerschöpflich! Und, wie ich

Dich kenne, Löwe, Du bist auch jemand, der über alles nachdenkt. Dir wird der Stoff auch

nie ausgehn“. Nun, liebe Freunde, bis jetzt hat Onkel Ernst recht behalten… und hierfür

dank ich dem ALLMÄCHTIGEN. Also… mit Hilfe des HERRN: Auf zu den nächsten fünfhundert!

 

 

CHRISTUS spricht: PRAEDICATE EVANGELIUM OMNI CREATURAE

Verkündiget die GUTE NACHRICHT allem Geschöpf

Marcus 16, 15.

 

GESEGNETEN HERBST!

Amen.