Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem Großpriorat Ostarrichi – Malta

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Milizgütesiegel

August 2016

SCHRIFT=Lectio Matthäus 6, Verse 1-4

Liebe Schwestern und Brüder!

Als ich ein kleiner Bub war, hat es ein Sprichwort gegeben, das, gewiß
zur Freude vieler strenger Moralisten, in Vergessenheit geraten ist:
„Wer Gutes tut, darf auch Gutes erwarten“.
Die Römer haben auch etwas Sinnverwandtes gesagt:
Ut salutas ita salutaberis (oder auch… ita salutaris, im hier etwas
unlogischen praesens; es wird mal so, mal so geschrieben). Das heißt:
Wie du grüßt, so wirst du gegrüßt werden. Im Umkehrschluß und in
Auslegung bedeutet dies: Sei immer freundlich, nett und zuvorkommend
(im engsten Sinne dieses Wortes! hierauf kommen wir gleich zurück), damit
sich die Mitmenschen Dir gegenüber ebenso verhalten. Ein bewußtes,
dauernd prakticiertes, gar berechnendes Herbeiführen von Ausgleich, auf
dem Fundamentum des alten kaufmännischen Grundsatzes Do ut des.
Und genau da, liebe Schwestern und Brüder, liegt die zweite philosophische
Schwierigkeit (sh. unsren Hinweis im Juli MMXVI) der Regula Aurea.

Nennen wir die Attitude beim Namen: Rigide Erwartungshaltung. Ins
Extreme getrieben formuliert: Was gehn uns die Nöte und Engpässe fremder
Menschen an; wir, unsre Familie, haben genug Schweres auf dem Hals.
Folglich: Wir sollen vernünftigerweis nur dann helfen, beistehn, ‚Gutes tun‘,
wenn wir fest und begründet damit calculieren, daß wir eine dringend
gebrauchte, ohne Protection kaum herbeizuschaffende Gegenleistung
erhalten. Ich denk, das ist bei uns Menschen, die wir bergreiflicherweis
wie auch begründetermaßen auf die eigene Besserstellung bedacht sind,
die tägliche Praxis. Manus manum lavat… oder wie mein Vater, der
einen schrägen altwiener Humor gahabt hat, zu sagen pflegte – die
Gegenseite, also den ‚Vertragspartner‘, scherzhaft hinabstufend: „Manus
pedem lavat“. {Ich stell mir vor, wie mein fröhlicher Alter Herr jetzt
droben auf seiner Wolke lächelt und vergnügt „meine Schule“ sagt.}

Einer der größten Gegner der Regula Aurea war Friedrich Nietzsche
(1844-1900), und zwar exact wegen der durch sie suggerierten und
verursachten Erwartungshaltung. Der eigenwillige Philosoph hat das
Calculieren mit der Gegenseitigkeit, das Do ut des, als „unvornehm“,
als „große Gemeinheit“ (sic) verurteilt. Wohlgemekt, Nietzsche hatte
eine aristokratische Haltung gepflegt: er hat sich darauf berufen, daß
sein Name eine eingedeutschte Verschleifung des polnisch-gräflichen
Familiennamens Nietzki sei; möglicherweis, wie ein altösterreichischer
Gelehrter sagt, in cunnexu mit dem ungarischen Grafenhaus Nitzky.
[Dies ist weder erwiesen noch widerlegt… mag aber sein… also
gönnen wir Herrn Professor Graf Nietzsche die Freid‘.] Unser Denker,
diese edelmännische Seele, sagt einerseits, daß ein Aristokrat sich grad
dadurch auszeichnet, daß er sich absondert vom ‚vulgus‘, von der Masse,
die nun mal an solch billigen Augenauswischereien wie ‚Gleichheit‘ und
‚Gegenseitigkeit‘ festhält. Und anderseits, daß es widersinnig sei,
[das Wortscherzhafte ist meine Zugabe:] deswegen zuvorkommend zu
sein, weil wir dadurch jemandem ‚zuvorkommen‘ wollen (das heißt:
dieser jemand könnte uns Schaden zufügen, wenn wir nicht
vorausgreifen); widersinnig deswegen, weil jede Handlung, auch
die beste, schädliche Folgen haben kann (die vielgliedrige Verkettung
der Ereignisse können wir nicht vorausschaun); und alle Taten aus lauter
Humanität deswegen zu unterlassen, weil sie für irgendjemand Übles
zeitigen könnten, würde jewede Activität moralisch verbieten.

Die Lösung dieser philosophischen Schwierigkeit lehrt uns unser
HERR IESUS CHRISTUS.
Einem Christen geht es nicht um Gegenleistung und um Gesehnwerden.
TE AUTEM FACIENTEM ELEMOSYNAM NESCIAT SINISTRA TUA QUID
FACIAT DEXTERA TUA UT SIT ELEMOSYNA TUA IN ABSCONDITO
ET PATER TUUS QUI VIDET IN ABSCONDITO REDDET TIBI
Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was
die rechte tut, auf daß dein Almosen verborgen sei; und dein VATER,
der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten öffentlich.

Ich erbitt für uns alle einen gesegneten Spätsommer.
Amen.