Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem Großpriorat Ostarrichi – Malta

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Milizgütesiegel

Dezember 2017

SCHRIFT~Lectio  Römerbrief 12, 2 bis 8 

Liebe Schwestern und Brüder in CHRISTO!

Fangen wir mit zwei kurzen Museumsgesprächen an. Als begeisterter Kunstliebhaber

geh ich gern und oft in Ausstellungen… auf diesem Sector ist Wien eh unschlagbar.

Als ich ein kleiner Bub war, hatte mir mein Vater, ein sehr fröhlicher Polyhistor und

Grandseigneur, die wichtigsten Kunstsammlungen unsrer Kaiserstadt vorgeführt. Wir

warn grad im Kunsthistorischen Museum und sind vor dem Werk, einer bewaldeten

Landschaft, eines weniger bekannten italienischen Malers des Rinascimento gestanden. 

Mein Vater hat dies so commentiert: „So viele Maler! Es gibt Zehntausende und gar

Hunderttausende, die etwa gleich gut sind. Und nur ganz wenige werden hochberühmt,

aufgebauscht, in aller Munde… von manch anderen finden wir immerhin einige Werke in

Museen… aber die meisten werden vergessen und werden vielleicht in den umfassendsten

Kunstenzyklopädien mit sechs Zeilen abgehandelt… ist denn das gerecht…“ = Voriges

Monat war ich in der Albertina, um die Sonderausstellung der Hauptwerke eines meiner

Lieblingsmalerkünstlers Raffaello Santi (1483-1520) zu sehn… quasi eine hocherfreuliche

Pflichtübung. (Die Exhibition ist noch bis zum 7. Jänner offen, also, Kunstfreunde, machts

Euch auf!) Eine fesche Mitarbeiterin der Sammlung hat mich erkannt. „Die treue Kundschaft!

Nun, was meinen Sie über die Ausstellung… und, wenn ich neugierig sein darf, warum 

machen Sie so ein grantiges Gesicht, wo Sie doch sonst immer lächeln…“ „Die Ausstellung

ist wirklich löwentraumhaft“, hab ich entgegnet, „zusammengeliehen aus aller Welt. Bin 

ewig froh und dankbar, daß ich sie seh. Aaaber… gleichzeitig kommt mir der Gedanke

der Capitulation vor dem Armsein! Schaun Sie… da ist eine Leihgabe aus einer privaten

Kunstsammlung… und dort auch eine… Ich bin net mißgünstig, aber wieso hab  i c h  net

so viel Göld, daß ich ein Bild von Raffaello besitzen und occasionell einem Wiener Museum

herleihen kann… ist denn das gerecht…“ = Liebe Freunde, die tägliche Erfahrung lehrt uns,

daß es auf dieser Welt eine ‚Gerechtigkeit‘ hinsichtlich der Verteilung von Ruhm, Reichtum,

Ämtern und Positionen nicht gibt; viele Menschen, die hinlänglich begabt sind um solches

zu erreichen, ja, die solches gar verdienen, gehn leer aus. Und da sind wir bei der Aufgabe, 

die wir uns voriges Monat gestellt haben: Wie ist das Gleichnis unsres HERRN von den

anvertrauten Talenten zu verstehn, respective was ist mit den vielen Menschen, die zwar die

Begabung erhalten haben, aber nie in die Lage kommen, diese fruchten zu lassen. Wir stehn

hier vor einer Paradoxie. = Auf die quaestio ‚Ob denn das so sein soll‘ fällt mir zunächst

der in der Akademischen Philosophie bekannte Naturalistische Fehlschluß ein: Vom Sein

 – unzulässigerweis – auf das Sollen schließen. Mit einem simplen exemplum erläutert:

Von der Tatsache, daß es Armut  g i b t , darauf folgern, daß es zwingenderweis Armut

geben  m u ß  und  s o l l  (etwa weil das zum volkswirtschaftlichen Mechanismus gehört

oder was auch immer). Das nächste, woran ich dabei denk, ist das postulatum des 

homo universalis Baron Leibniz (nennen wir doch mal seinen Titel…): Unsre Welt ist

notwendigerweis die beste aller vorstellbaren Welten. Der Gelehrte begründet dies mittels

einer Studierstubenlogik, die wir hier aus Platzgründen nur sehr grob resümieren können.

Leibniz schreibt, „daß es eine Unendlichkeit von möglichen Welten gibt, aus der GOTT

notwendig die beste gewählt haben muß, denn ER tut nichts, ohne daß ER der höchsten

Vernunft gemäß handelt“ [Theod. I/8]. In die vollkommene Welt gehört gemäß Leibniz

auch die Stufenfolge von Übel bis Gut, denn sonst wär die Welt ein unvollständiges

 Einerlei und damit a se mangelhaft. Das malum gibt es zwingenderweis, „weil das Geschöpf

wesentlich begrenzt ist; daher kommt es, daß das Geschöpf nicht allwissend sein kann“

[Theod. I/20]. = Die eine Antwort auf unsere Eingangs=quaestio kann lauten, daß wir

alles stoïsch hinnehmen sollen, so wie es ist; die Wege des HERRN sind unergründlich,

SEINE Maßstäbe sind uns nicht bekannt, ER weiß, wer welche Talente fruchten lassen soll

und darf… und es ist ohnehin alles zum Besten. Für mich ist dies kaum zufriedenstellend,

für den Spottmeister Voltaire war’s auch nicht, daher hat er 1759 sein Buch Candide ou

l’optimisme veröffentlicht, in welchem er Leibniz‘ postulatum rigoros lächerlich macht. „Es

ist erwiesen“, dociert Monsieur Pangloss, Candides Lehrer, „daß die Dinge nicht anders sein

können, denn da alles zu einem Zwecke erschaffen worden ist, geschah es notwendigerweise

zu einem besten Zwecke. Beachtet wohl, daß die Nasen zum Tragen von Brillen erschaffen

wurden, und so haben wir denn auch Brillen!“ [Cand. cp.1]. Kurz gelacht… und nun probier

ich eine zweite Antwort. Ich denk, jeder Begabte bekommt die Gelegenheit, seine Talenta zu

nützen = auch wenn es oft gegenteilig anmutet, da wir die Hocharrivierten überbewerten und

beneiden. Zumal… erstens: es gibt viel mehr Begabte als Plätze für Berühmtheiten; es wär

schlimm, wenn’s anders wär, denn… zweitens: talentierte Menschen brauchen wir nicht nur im

Kanzlersessel und vor dem Nobelpreiscomitee, vielmehr auch genausonötig im Kleinen, in der

Familie, im sogenannten ‚Alltag‘. Es ist die vornehmste Aufgabe eines Begabten, Bindeglied zu

sein zwischen der vorigen und der nachfolgenden Generation, Wissen und Erfahrungswerte zu

empfangen sowie auch Wissen und Erfahrungswerte weiterzureichen, selbst wenn ’nur‘ im

kleinen Kreis. Wer das schafft und bewirkt, der hat sein Talentum zeitlos vermehrt, denn das

liebevoll und kundig tradierte Wissen wächst mit jeder Generation. ~ Wie der HERR den

einen zu diesem, den andern zu jenem erwählt… darüber denken wir nächstes Monat nach.

CHRISTUS SPRICHT (Lc 16,10):

QUI FIDELIS EST IN MINIMO ET IN MAIORE FIDELIS EST

Wer im Kleinsten treu ist, der ist auch im Größeren treu

Amen.

Ich wünsch uns ein gesegnetes CHRISTFEST, einen fröhlichen Jahreswechsel mit viel Sect

und einen besinnlichen Dreikönigstag.