Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem Großpriorat Ostarrichi – Malta
Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem Großpriorat Ostarrichi – Malta
Jänner 2018
SCHRIFT~Lectio Apostelgeschichte 1, 21 bis 26
Liebe Schwestern und Brüder in CHRISTO!
Unsre Gedankenfolge in den vorigen drei Monaten hat uns zu einer theologisch
schwierigen, seit Jahrhunderten streitigen Materie geführt: zum Begriff der Erwählung.
Wir mögen jetzt gemeinsam hierüber nachsinnen; zugleich tilg ich eine alte Schuld,
denn vor knapp zwei Jahren, in der Feber~Predigt 2016, hab ich die Erwählungs=
quaestio bereits gestreift… und aufgeschoben. = Hie und dort ist zu hören und zu lesen,
daß die Erwählungslehre, insonderheit in der Gestalt des Calvinischen Praedestinations=
Theorems, eine Erfindung von uns Theologen sei, um ein geistiges Werkzeug zu haben,
mittels dessen wir Ungleichheiten oder gar schreiende Ungerechtigkeiten begründen
können: warum ist der eine arm, der andere reich… warum ist der eine ein krankhafter
Gewaltverbrecher, der andere ein herzensguter Philanthrop… warum ist es so, daß von
zwei etwa gleich begabten Menschen der eine Bundespräsident wird und der andere
ein mittelloser Caffeehausphilosoph bleibt… Antwort: Weil der ALLMÄCHTIGE das so
vorherbestimmt hat; und mit diesem axioma würden wir’s uns nur zu leicht machen.
Liebe Freunde, es gewißlich zutreffend, daß, einerseits, Theologen Tausende von
Fachbegriffen erdacht haben, um diese Welt zu verstehn und verständlich zu machen
[unsre Gilde hatte bis jetzt zweitausend Jahr‘ Zeit hierfür] = und, anderseits, daß
mittels der Praedestinationslehre die Entsendung und Einsetzung der einzelnen
Menschen in diese oder jene Lebensumstände gut und klar begründet werden kann.
Unzutreffend ist aber die synthesis dieser beiden Aussagen; wir Theologen haben
das Erwählungsprincipium nicht erfunden, es steht vielmehr in der HEILIGEN SCHRIFT.
Bevor wir dies auslegen, sei mir zur Auflockerung in der grad obwaltenden Faschingszeit
ein Carnevalssitzungspräsidentensager gestattet. Was ist der Unterschied zwischen
einem Theologen und einem Politiker… Der Theologe müht sich, das Unerklärliche
zu begreifen; und der Politiker müht sich, das Unbegreifliche zu erklären. =
CHRISTUS spricht: NON DE OMNIBUS VOBIS DICO ~ EGO SCIO QUOS ELEGERIM
Ich rede nicht von euch allen ~ ICH weiß, welche ich erwählt habe [Joh 13, 18].
Die Erwählungslehre respective die Vorherbestimmungsdoktrin ist in den diversen
Christlichen Confessionsrichtungen in mehreren Abstufungen präsent. Die klarsten,
für mich auch schlüssigsten und praxisgerechtesten Aussagen macht der Calvinismus.
Das Eigentümliche der Reformierten Dogmatik wird oft in fünf principia zusammengefaßt.
Erstens: dem natürlichen Menschen ist die Völlige Verderbtheit eigen; er vermag das
Evangelium erst dann zu verinnerlichen, wenn der HEILIGE GEIST unsres HERRN IESUS
CHRISTUS ihn hierzu befähigt hat. Zweitens: die Bedingungslose Erwählung; der HERR,
allwissend sowie raum= und zeitüberlegen, hat die Menschen noch vor der Erschaffung
des Universums, also vor der Existenz von Raum, Zeit und Materie, eingeteilt in Gerufene
und Nichtgerufene. Hiermit verwoben ist das dritte postulatum: die Begrenzte Sühne;
unser HEILAND hat durch SEINEN Kreuzestod nicht alle Menschen erlöst, sondern exclusiv
nur die von vornherein erwählten Gerufenen. Die Grundsätze vier und fünf tangieren bloß
die Empfänger der Erwählung: die Unwiderstehliche Gnade respective die Beharrlichkeit
der Heiligen; diese bedeuten zum einen, daß der Mensch nicht die Macht und die Competenz
hat, die Berufung seitens des HERRN auszuschlagen ~ und zum andern, daß der einmal
Gerettete die Gnade der Erwählung weder einbüßen noch zurückreichen kann; wen der HERR
gerufen hat, den hat ER gerufen, und zwar für immer. Es gilt ebenso der Umkehrschluß: die Nichterwählten gehn unwiderruflich leer aus. Gegen diese selective Gnadenverteilung gibt’s
kein ‚Rechtsmittel‘ und keine ‚Probezeit‘, weder für die einen noch für die andern. = Dies
gemahnt uns einerseits an Leibniz und sein Theorem von der ‚besten aller Welten‘, über das
wir voriges Monat nachgedacht haben: Wär alles aequaliter nur freundlich und ‚glatt‘, dann
wär die Welt ein kaum aufregendes, gar fades Gleichmaß und damit unvollständig. Anderseits
sind wir ‚versucht‘, darüber nachzusinnen, nach welchen Kriterien der ALLMÄCHTIGE SEINE
getreuen Gerufenen bereits zu zeitlosen Zeiten ausgewählt hat; hierauf gibt es aber keine
menschliche Antwort; wie mein Dogmatik=Professor Friedrich Jacob gesagt hat: „Das ist
eines der schrecklichen Geheimnisse GOTTES“, der nun mal der HERR der Geschichte ist. =
Die französischen Reformierten berufen sich oft auf die Erwählung, in Verbindung damit,
daß diese Gnade auch an gesellschaftlicher Position und pecuniärem Erfolg der Gerufenen
sichtbar sein mög, maßen je mehr Macht einer besitzt, desto mehr kann er für das Gemeinwohl
bewirken; die Erwählten sollen daher Leitungsfunctionen anstreben. Und tatsächlich: im
vorwiegend katholischen Frankreich sind Reformierte auf den Chef-Étagen der Akademie,
Politik, Wirtschaft deutlich überproportional vertreten. = Liebe Freunde, die hier dargelegte
Auffassung ist nur eine der vielen Ausformungen der Erwählungslehre, gleichwohl liefert sie
Antworten auf vieles, was wir täglich beobachten oder gar am eignen Geist und Leib erfahren.
Als Erwiderung darauf, daß auch unter den Geretteten keine Gleichheit waltet, mag ich unsre
conclusio des Vormonats bekräftigen: Begabte, Gerufene, Erwählte werden sowohl im ‚Großen‘
wie auch im ‚Kleinen‘ dringend gebraucht. Carl Barth, selbst Calvinist, schreibt vom Gerufenen:
als Christ „lebt und betätigt er die gerade seiner Existenz eigentümliche Voraussetzung und
Auszeichnung, vollstreckt er seine persönliche Praedestination“. [KD II.2, 377.]
CHRISTUS spricht:
SED ET CAPILLI CAPITIS VESTRI OMNES NUMERATI SUNT ~ NOLITE ERGO TIMERE
Doch gar die Haare eures Kopfes sind alle gezählt, fürchtet euch also nicht [Luc 12, 7].
Amen.
Ich wünsch uns allen eine fröhliche Carnevalszeit.
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