Militärischer und Hospitalischer Orden des Heiligen Lazarus von Jerusalem Großpriorat Ostarrichi – Malta

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Milizgütesiegel

Juni 2016

SCHRIFT-Lectio Matthäus 7, 1 bis 20 ~ insonderheit Vers 12.

Liebe Schwestern und Brüder!

Heute mag ich ein schwieriges Thema fröhlich-anekdotisch einleiten,
um es dann im nächsten Monat Juli in Gelehrten-Manier zu würdigen:
die REGULA AUREA, die berühmte Goldene Regel. Der Volksmund kennt
sie als gereimten Zweizeiler, allerdings in sprachlich negativer Form:
Was du nicht willst, das man dir tu,
das füg auch keinem andern zu.
Unser HERR JESUS CHRISTUS formuliert diesen Leitsatz allen menschlichen
Miteinanders sprachlich positiv (ohne die Worte ’nicht‘ und ‚keinem‘):
OMNIA ERGO QUAECUMQUE VULTIS UT FACIANT VOBIS HOMINES ET VOS FACITE EIS.
Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.
Ihr denkt jetzt: Was soll denn daran ’schwierig‘ sein… die Theologen und
Philosophen in ihrer zwanghaften Auslegungslust werwickeln wohl gern auch
einfache Sachen… die Goldene Regel ist doch allgemeinverständlich und liegt
auf der Hand. Mag sein, liebe Freunde… auf den ersten Blick. Gleichwohl
haben unzählige berühmte Geistesgelehrte und Künstler, von Confucius bis
Sir Karl Popper (undsoweiter in beiden Zeitrichtungen, doch allein zwischen
den beiden Genannten liegen zweieinhalb Jahrtausende), Hunderte von
Seiten darüber geschrieben… doch dies streifen wir im folgenden Monat.

Kommen wir zur fröhlichen Einleitung. Ich werde von Freunden gelegentlich
darum belächelt, daß ich ~ in meiner reifern Jugend ~ in den Öffis meist
stehn bleib respective mich in der UBahn wirklich nur dann niedersetz, wenn
ich auf spätem Abend (wo eh viele Sitzplätze frei sind), nach einem langen
feierträchtigen oder arbeitsamen Tag, eine Faulheitswelle bekomm. Einige
Lieben wollten wissen, warum dies so sei. ~ Also… ‚des war a so‘. Als Bub
hatte ich einen gutmütigen, aber strengen Professor, einen Geographen und
bärenstarken Rudersportler. Er hatte uns Buben auch Disciplin beigebracht,
vor allem das stete Achten auf Rücksichtnahme. In der Elektrischen oder im
Omnibus (die moderne UBahn gab’s damals noch lang nicht; ich hatte schon
meinen ersten Studienabschluß, als der ‚Süüberpfeil‘ loscommandiert wurde)
hatten wir die Pflicht, unsre Plätze Frauen in gesegneten Umständen, Kranken,
Versehrten, Menschen mit Kleinkindern, Senioren… und auch unsern lieben
Professoren höflich anzubieten. Das hat in der Praxis geheißen: sich gar nicht
erst niederhocken. Unser gestrenger bärenstarker Geographielehrer hat oft
gedroht: „Weh dem, den ich dabei erbleck, daß er sei‘ Hosnbodn ’nuntersetzt!“
Liebe Freunde, Ihr mögt hierüber lachen… aber der Geist dieses Professors
‚hockt mir immer noch im Gnack‘. Auch als Jungsenior bin ich der Auffassung,
daß die meisten Menschen – die sicher täglich früh aufstehn müssen und abends
streichfähig müd sind… während ich, dem HIMMEL sei Dank, hiervon frei bin –
den Sitzplatz nötiger haben als ich. Weiters bin ich dem HERRN stets dankbar
dafür, daß es mir gesundheitlich, mental wie corporal, sehr gut geht… demnach
kann ich auch stehn bleiben. Und… wenn ich mich doch mal niederhock… dann
fühl ich mich a wengerl unwohl… für einige Sekunden werd ich wieder zum
zwölfjährigen Buben, der Federn davor hat, daß der Herr Professor zusteigen
könnt, und daß der Bub dann ‚an Zores‘ bekommt. Freunde, Ihr lächelts jetzt…
und ich lächel über mich selbst… gleichwohl ist jenes Empfinden bei mir oft da.

Und nun kommt die quaestio critica: Warum nehm ich Rücksicht, weswegen
nehmen wir Rücksicht, wofür tun wir Gutes… Erwarten wir denn ~ sofort oder
ein ferneres Mal, wo wir einst in Not sind ~ allfälligen Ausgleich… Wenn wir
die REGULA AUREA, in beiden sprachlichen Formen, noch einmal aufmerksam
lesen, wird uns dieser Gedanke suggeriert. Und genau da, liebe Freunde, liegt
das angekündigte Philosophisch-‚Schwierige‘. Dies legen wir nächstes Monat aus.

Das Wort unsres HERRN JESUS CHRISTUS sei die Brücke
zwischen der fröhlichen Einleitung und der gelehrten Würdigung:
FILIUS HOMINIS NON VÊNIT UT MINISTRARETUR EI SED UT MINISTRARET
… des Menschen SOHN ist nicht gekommen, daß ER sich dienen lasse,
sondern daß ER diene… (Marcus 10, 45).

Liebe Freunde, ich wünsch Euch eine gesegnete, fröhliche, erholsame Sommerzeit.
Amen.